Mittwoch, 7. August 2019
Verantwortung
Vor der Trauer hatte ich keine Furcht. Sie ist überwältigend, und kraftvoll, aber sie ist auch zart und manchmal fast schwerelos, wenn sie mit wärmenden Erinnerungen kommt...

Wovor ich mich wirklich fürchte, ist die Enttäuschung von Liebenden. Sowohl enttäuscht zu werden als auch selbst zu enttäuschen. Die Kommunikation in Beziehungen ändert sich über die Zeit ganz natürlich und manchmal fast unnatürlich schnell und unerbittlich. In Trauer kann letzters passieren. Die Extreme zwingt uns in die Ecke und erdrückt unser natürliches Ich und auch unser natürliches Handeln.

Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Ich weiß nur, dass die Verantwortung uns alle einholt unabhängig von Alter, Erfahrung, Stärke oder Rückhalt. Das Leben und die Welt juckt unser Schmerz nicht. Das Karussel dreht sich -auch ohne Einwilligung- weiter.

Und so bin ich gezwungen meine Kräfte einzuteilen; bin ich gezwungen Wahrheiten auszusprechen; bin ich gezwungen fair zu sein, auch wenn das Grausam für den Einzelnen ist; bin ich gezwungen Respekt für dieses Erbe einzufordern. Ich hab mir die Bürden meines Vaters nicht ausgesucht, sie wurden mir überreicht, ehe ich ihren Umfang erkannte.

Verantwortung kann die größte Freiheit und die stärkste Entwicklung belasten. Und so bin ich gezwungen Grenzen zu ziehen und auf Verständnis meiner Liebenden zu hoffen.

17.7.19

Bild: James Pond / unsplash.com
https://unsplash.com/photos/HUiSySuofY0

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Samstag, 3. August 2019
Gelegenheiten sind endlich
Reue war die meiste Zeit meines Lebens der Antrieb mir Dinge wie Erfahrungen, Wagnisse und Risiken anzunehmen, anstelle davor weg zu rennen. Ich bin dennoch nicht immer mit offenen Armen den Erfahrungen entgegen getretten, aber ich habe mich zu meinen Bedingungen immer überwunden für die Menschen und Dinge, die mir wichtig waren und sind einzustehen.

Soweit so gut. Man wird jedoch selten so massiv darauf hingewiesen, dass es Dinge im Leben gibt für die es nur ein Mal eine Chance gibt. Nur einen kleinen Moment oder vielleicht ein kleines Zeitfenster lang, wie eine Sternschnuppe hell leuchtend und unscheinbar. Vielleicht kommt die Gelegenheit wieder denkt man, aber manchmal ist klar, dass sie nie wieder kommt. Dann spürt man die Endlichkeit am eigenen Leib.

Es ist klar, dass jeder Moment einzigartig und vergänglich ist und doch vergisst man genau das während man diesen erlebt. Die Leichtigkeit des Seins wäre unmöglich, wäre es anders.

Die Stimme meines Vaters nie wieder zu hören ist mitunter das Schlimmste. Keinen Geburtstagsanruf zu erhalten wird schlimm sein. So stelle ich es mir vor. Mein Gott, wie Geburtstage schmerzlich deswegen werden. Bittere Süße legt sich über die Vorfreude von jeglichen (Geburtstags-)Plänen. Hallo Trauer, da bist du ja wieder?!! Wie es mir geht? Gut, aber auch nicht schäumend vor Glück. Mir geht's gut. Ich bin ok, aber mehr auch nicht.

15.7.19

Bild: StockSnap / pixabay.com
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Samstag, 27. Juli 2019
Summertime
Ich hielt es nicht für möglich, dass der Sommer nach diesem Winter kommen würde. Natürlich kam er dennoch und auch dieses Jahr mit Rekordtemperaturen. Die Leichtigkeit des Seins im Sommer ist tatsächlich immer wieder durchgedrungen. Die Trauer hat einen Schritt zurück gemacht und hinter Eiscreme, Sonnenschein, Menschenmengen und Festivitäten Platz genommen. Diesen Platz hat die Trauer zumindest vorrübergehend akzeptiert. Eine kleine Weile genoss ich Grillmittage, Spaziergänge und kaltes Nass in Form von Getränken, Duschen und anderen Erfrischungen. Die grelle Sonne verdeckte blinde Flecken und den permanenten Grauschleier... Sie blendete. Für ein paar Tage schien alles beim Alten zu sein...

...bis zum nächsten Familienmittag. Die Familie zu sehen bereitet mir Freude, aber erinnert mich an alles Verlorene und Endgültige. Die Bitte meiner Mutter vorm Mittagessen ein Gebet zu sprechen war jenseits unserer Norm und war doch völlig verständlich und auch schön. Jedoch war zugleich dieses Gebet eine direkte Erinnerung an die überwundenen Kämpfe, an die getragenen umgeschulterten Lasten, an den Bruch durch unsere Mitte. So mischt sich Trauer und Demut in die Dankbarkeit eines scheinbar gewöhnlichen sommerlichen Familienmittagsessen.

9./12.7.19

Bild: Samantha Gades / unsplash.com
https://unsplash.com/photos/fIHozNWfcvsi

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