Montag, 5. August 2024
Nicht hier und doch hier
Trauern ist kein Vorgang den man abschließt und der für immer erledigt ist. Sicherlich kann man bestimmte Situationen und Gefühle durchleben und loslassen. Die meiste Wut und Enttäuschung über den Suizid meines Vaters habe ich nach über vier Jahren tatsächlich abgelegt.

Aber die Trauer habe ich wirklich auf so viele Arten versucht wegzustoßen, zu verarbeiten, abzuarbeiten, verdauen, loslassen... Sie kam immer wieder angekrochen, angeschlichen aus dem Nichts. Sicherlich konnte ich einen riesen Klumpen Trauer tatsächlich sowas wie abarbeiten, durchleben und ja loslassen. Aber einen Teil trage ich immer noch bei mir und in mir herum.
Die Erinnerungen bleiben und mit ihnen immer ein Rest der Gefühle, die ich mit ihnen verbinde. Mein Vater hat mich geliebt. Ich weiß das. Ich weiß, er hätte sich so sehr über unsere Verlobung gefreut. Er hat meinen Verlobten sehr gemocht und wertgeschätzt. Wer weiß, vielleicht hat er ihn gar geliebt. So sehr er das bei einem potentiellen Schwiegersohn eben konnte.

Ich weiß tief in mir drin, er hätte sich so sehr für und mit uns gefreut. Aber das er es nicht miterleben wird, bricht mein Herz erneut. Ich habe den Gang zum Altar nach seinem Tod hunderte Male durchgespielt und hunderte Male dabei geweint, bis keine Träne mehr übrig war und dann noch ein paar Tränen mehr...

Und dennoch kaum das es konkret wird mit der Hochzeits Planung breitet sich ein Gemisch aus Glücksgefühlen, Vorfreude und Aufregung aus und ganz tief hinter all den lauten Gefühlen ist auch zusammen gekauerte die kleine große Wehmut dabei. Es ist die Erinnerung an den verlorenen Vater Tochter Tanz, an den verlorenen Gang zum Altar an seinem Arm. Ein letztes Mal hätte er mich unterstützen sollen. Aber es sollte nicht sein.
Was für ein egoistischer Gedanke ich weiß. Wir sind das Thema Schuld zu genüge durchgegangen...

Da ist die Liebe meines Lebens und ich, die wir einfach nur im Beisein unserer Familie eine Standesamtliche Trauung planen. Wir freuen uns, kümmern uns um die fehlenden Adressen und planen so vor uns hin. Und da ist sie wieder, sie sticht ins Herz. Ein kleiner Stich und doch unmöglich zu ignorieren. Ich weiß, es ist bloß wieder Liebe, die geteilt werden will und die ich nicht an den richtigen Empfänger schicken kann. Es gibt noch keinen Express Versand ins Jenseits oder etwa doch?

Gott, kannst du meinen Vater grüßen und umarmen für mich? Wenn es doch nur so einfach wäre...

Vater du fehlst wieder, aber in Gedanken bin ich bei dir. Schon wieder. So wie ich es mein restliches Leben wieder und wieder tun werde. Du bist nicht hier und doch bin ich irgendwie hier und auch bei dir. Ich muss nicht wissen wie das geht. Ich spüre es einfach.

20.2.2023

Bild: micheile henderson | unsplash.com
https://unsplash.com/de/fotos/hochzeitskarte-b-OFeL7Yr08

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Donnerstag, 13. Juni 2024
"Take it easy" Gedicht
»Take it easy!«
Tehk it ih-si, sagen sie dir.
Noch dazu auf englisch.
„Nimm’s auf die leichte Schulter!“

Doch, du hast zwei.
Nimm’s auf die leichte.

Ich folgte diesem populären
Humanitären Imperativ.
Und wurde schief.
Weil es die andre Schulter
Auch noch gibt.

Man muß sich also leider doch bequemen,
Es manchmal auf die schwerere zu nehmen.

aus: Mascha Kaléko, In meinen Träumen läutet es Sturm. Gedichte und Epigramme aus dem Nachlass, hrsg. v. Gisela Zoch-Westphal, dtv Verlag, München 2018

Bild von Ulrike Mai auf Pixabay
https://pixabay.com/de/photos/frau-verzweifelt-traurig-tr%C3%A4nen-1006100/

Floskeln sind Gift in der Trauer. Ich habe Menschen, die zu ihrer eigenen Erleichterung, Floskeln verwenden gemieden. Sie meinen es i.d.R. nicht böse. Häufig ist Überforderung und zu wenig Interesse der Grund für diese leeren Aussagen. Das muss man nicht persönlich nehmen. Kann aber natürlich seinem Ärger Luft machen. Aber vielleicht gibt es dafür auch geeignetere nahe stehende Personen?! Letztere halten mehr aus, weil man ihnen etwas bedeutet.

13.6.24

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Dienstag, 11. Juni 2024
Mein Leben gehörte nicht mir...
Mein Leben gehörte mir für lange Zeitspannen meines Lebens nicht.

Ich habe meine Familie immer mehr unterstützt ab dem Alter von elf Jahren bis ich mit 24 Jahren auszog.

Ich hatte eine freie und glückselige Zeit, bis ich die Alleinverdienerin für meinen Partner und mich wurde im Alter von 29 Jahren. Diese Unannehmlichkeit meiner neu erlangten Realität hat mich betäubt. Wir sind beide überzeugt von Gleichberechtigung. Ich war vollständig überwältigt und hatte Schwierigkeiten mein Kreuz zu tragen. Ich habe so gut wie nie an meiner Beziehung gezweifelt, aber diese neuen Umstände zwangen uns beide in Rollen, die wir nicht gewohnt waren, während wir das Unrecht, das zu diesen Umständen führte, bekämpften. Und obwohl wir Schlachten gewannen, ist der Krieg nicht vorbei. Wir können die alte Freiheit nahezu schmecken, aber sie ist leider noch nicht hier.

Und während wir unser Bestes geben unsere Köpfe hochzuhalten und nicht all unsere Träume und Ambitionen zu verlieren, schlug das Leben wieder zu. Mit 31 Jahren verlor ich meinen Vater auf eine der wohl grausamsten erdenklichsten Arten... Seitdem bin ich einigen tiefen dunklen Pfaden gefolgt und trug eine völlig andere Art von Kreuz. Ich musste meinem Großvater helfen das Kreuz unseres Familienvermächtnis zu tragen.

Zwei Jahre nach dem Tod meines Vaters mit 33 Jahren folgte mein Großvater ihm. Die Last wurde unerträglich und der Mangel an vertrauenswürdiger und motivierter Hilfe hat auch nicht weitergeholfen. Das allein hat mein Vertrauen in meine Familie tief erschüttert. Niemand hat betrogen, aber (bis jetzt) wurden nur wenige Versuche unternommen seinen eigenen Pflichten und Verantwortungen nachzukommen. Ich habe mich nie zuvor so allein gelassen gefühlt und seltsamerweise habe ich mich meinem Vater nie näher gefühlt als jetzt.

Es spielt jetzt keine Rolle, wie welche Sache zur anderen geführt hat und wie dies passieren konnte, und warum diese Sachen so kurz hintereinander geschehen sind, aber sie sind einfach geschehen. Das alles ist MIR geschehen. Alles hat mich depressiv gemacht und, oder ließ mich zweifeln, ob mein Leben je ein neues Normal finden könnte. Es ist so wenig Kraft, Raum und Seelenfrieden übrig. Ich bin wund. Meine Träume einer eigenen Familie drifteten davon mit jedem Termin, jeder Verpflichtung, jedem neuen Feuer, das ich löschen, und jedem neuen Kampf, den ich auflösen musste.

Ja, natürlich, im Leben passiert alles auf einmal, aber es gibt Risiken, die kann man eingehen, und Risiken, die kann man nicht eingehen, ohne etwas dir selbst Wertvolles zu verlieren.

Ich brauche meine Gesundheit zurück, ein bisschen Seelenfrieden zurück, ehe ich mich wirklich einer Verpflichtung so riesig wie ein eigenes Kind widmen kann. Es ist eine meiner größten Hoffnungen und Träume dieses Lebens, ein Baby Jungen oder Baby Mädchen mit der Liebe meines Lebens zu teilen. Dies ist eine, wenn nicht die tiefste und ehrwürdigste Hoffnung meines Lebens, meine eigene Familie zu haben. Es macht mir Angst es zuzugeben, weil ich die Chancen auf sie verlieren kann, bevor ich sie je hatte.

Ich fühle, dass ich keine andere Wahl habe, als in meinen Glauben an Gott zu vertrauen und alles an das ich je geglaubt habe, für mich zu wirken. Wenn es meine Bestimmung ist, in diesem Leben Mutter zur werden, wird es aufgehen. Aber ich werde es nicht erzwingen. Wenn es nicht sein soll, werde ich es herausfinden früher oder später.

"Am Ende wird alles gut! Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende" - Oscar Wilde

12.3.22 / 11.6.24

Foto von Hans Reniers auf Unsplash
https://unsplash.com/de/fotos/MWBwnTcPcWQ

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