Montag, 12. August 2024
Gefühlskarten in der Trauergruppe
Ab und an verwenden meine Trauergruppen-Leiter Emotionskarten. Man soll bei der Übung seine Gefühle empfinden und nach Stärkegrad sortiert aufstellen. Die stärksten Emotionen nach vorne, die schwächsten nach hinten. Es dürfen dabei Emotionen auch gleich stark gesetzt werden. Es dürfen auch Emotionen gar nicht aufgestellt werden.

Die Karten, die sie austeilen, beinhalten folgende Gefühle:

Liebe (Rot)
Trauer (hellblau)
Schuldgefühle (weiß)
Freude (dunkelblau)
Angst (orange)
Hoffnung (Grün)
Wut (gelb).

Basierend auf den Karten sieht man schnell wo, welcher, Teilnehmer steht. Bei jeder neuen Bestandsaufnahme sind mit Abstand am häufigsten die drei Karten Liebe, Trauer und Schuldgefühle vertreten.

Die Karten sollen helfen sich zu äußern. Einen Aufhänger geben was einen beschäftigt und warum.
Das hilft immer beim Einstieg ins Gespräch und auch beim einschätzen, wie ich mit welcher Person reden kann und sollte. Jeder kommt mit einem anderen Päckchen in die Runde. Je mehr man das respektiert, je flüssiger das Gespräch.

Bis heute bin ich immer überrascht wie relativ die Zeit in der runde vergeht. Oft genug saß ich wiederwillig in dieser Runde. Wollte am liebsten woanders sein. Und jedes Mal wird ein Thema angesprochen, dass mir hilft. Es hilft am besten, wenn ich aktiv teilnehme in der Runde.

Inzwischen habe ich mir angewöhnt, v.a. neue oder zurück haltende Teilnehmer bewusst anzusehen beim Sprechen in der Hoffnung, dass diese sich vielleicht auch einbringen wollen. Manchmal funktioniert das nicht, aber auch das ist völlig in Ordnung. Jeder bringt sich in seinem Tempo ein.

Es ist einfach heilsam für mich meinen Gefühlen im geschützten Raum Platz zu geben.

02.04.2024

Bild: Quelle unbekannt
Papeterie Beispiel

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Montag, 5. August 2024
Nicht hier und doch hier
Trauern ist kein Vorgang den man abschließt und der für immer erledigt ist. Sicherlich kann man bestimmte Situationen und Gefühle durchleben und loslassen. Die meiste Wut und Enttäuschung über den Suizid meines Vaters habe ich nach über vier Jahren tatsächlich abgelegt.

Aber die Trauer habe ich wirklich auf so viele Arten versucht wegzustoßen, zu verarbeiten, abzuarbeiten, verdauen, loslassen... Sie kam immer wieder angekrochen, angeschlichen aus dem Nichts. Sicherlich konnte ich einen riesen Klumpen Trauer tatsächlich sowas wie abarbeiten, durchleben und ja loslassen. Aber einen Teil trage ich immer noch bei mir und in mir herum.
Die Erinnerungen bleiben und mit ihnen immer ein Rest der Gefühle, die ich mit ihnen verbinde. Mein Vater hat mich geliebt. Ich weiß das. Ich weiß, er hätte sich so sehr über unsere Verlobung gefreut. Er hat meinen Verlobten sehr gemocht und wertgeschätzt. Wer weiß, vielleicht hat er ihn gar geliebt. So sehr er das bei einem potentiellen Schwiegersohn eben konnte.

Ich weiß tief in mir drin, er hätte sich so sehr für und mit uns gefreut. Aber das er es nicht miterleben wird, bricht mein Herz erneut. Ich habe den Gang zum Altar nach seinem Tod hunderte Male durchgespielt und hunderte Male dabei geweint, bis keine Träne mehr übrig war und dann noch ein paar Tränen mehr...

Und dennoch kaum das es konkret wird mit der Hochzeits Planung breitet sich ein Gemisch aus Glücksgefühlen, Vorfreude und Aufregung aus und ganz tief hinter all den lauten Gefühlen ist auch zusammen gekauerte die kleine große Wehmut dabei. Es ist die Erinnerung an den verlorenen Vater Tochter Tanz, an den verlorenen Gang zum Altar an seinem Arm. Ein letztes Mal hätte er mich unterstützen sollen. Aber es sollte nicht sein.
Was für ein egoistischer Gedanke ich weiß. Wir sind das Thema Schuld zu genüge durchgegangen...

Da ist die Liebe meines Lebens und ich, die wir einfach nur im Beisein unserer Familie eine Standesamtliche Trauung planen. Wir freuen uns, kümmern uns um die fehlenden Adressen und planen so vor uns hin. Und da ist sie wieder, sie sticht ins Herz. Ein kleiner Stich und doch unmöglich zu ignorieren. Ich weiß, es ist bloß wieder Liebe, die geteilt werden will und die ich nicht an den richtigen Empfänger schicken kann. Es gibt noch keinen Express Versand ins Jenseits oder etwa doch?

Gott, kannst du meinen Vater grüßen und umarmen für mich? Wenn es doch nur so einfach wäre...

Vater du fehlst wieder, aber in Gedanken bin ich bei dir. Schon wieder. So wie ich es mein restliches Leben wieder und wieder tun werde. Du bist nicht hier und doch bin ich irgendwie hier und auch bei dir. Ich muss nicht wissen wie das geht. Ich spüre es einfach.

20.2.2023

Bild: micheile henderson | unsplash.com
https://unsplash.com/de/fotos/hochzeitskarte-b-OFeL7Yr08

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Donnerstag, 13. Juni 2024
"Take it easy" Gedicht
»Take it easy!«
Tehk it ih-si, sagen sie dir.
Noch dazu auf englisch.
„Nimm’s auf die leichte Schulter!“

Doch, du hast zwei.
Nimm’s auf die leichte.

Ich folgte diesem populären
Humanitären Imperativ.
Und wurde schief.
Weil es die andre Schulter
Auch noch gibt.

Man muß sich also leider doch bequemen,
Es manchmal auf die schwerere zu nehmen.

aus: Mascha Kaléko, In meinen Träumen läutet es Sturm. Gedichte und Epigramme aus dem Nachlass, hrsg. v. Gisela Zoch-Westphal, dtv Verlag, München 2018

Bild von Ulrike Mai auf Pixabay
https://pixabay.com/de/photos/frau-verzweifelt-traurig-tr%C3%A4nen-1006100/

Floskeln sind Gift in der Trauer. Ich habe Menschen, die zu ihrer eigenen Erleichterung, Floskeln verwenden gemieden. Sie meinen es i.d.R. nicht böse. Häufig ist Überforderung und zu wenig Interesse der Grund für diese leeren Aussagen. Das muss man nicht persönlich nehmen. Kann aber natürlich seinem Ärger Luft machen. Aber vielleicht gibt es dafür auch geeignetere nahe stehende Personen?! Letztere halten mehr aus, weil man ihnen etwas bedeutet.

13.6.24

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