Donnerstag, 2. Mai 2024
Mein Logbuch der Trauer
Ich habe diesen Trauerblog wie eine Art Logbuch einer Krankheit geführt. Ich habe versucht meine Fortschritte zu analysieren und zu fördern, versucht meine Ängste zu konfrontieren. Ich wollte das Paket Trauer annehmen, verarbeiten und dann weiterleiten oder loslassen. Anstatt dessen habe ich mir eine Art Schrein, ausgeschmückte Narben, ein digitales Sammelheft zum zur Schau stellen erarbeitet.

Wenn ich mir also eine Woche oder einen Monat stillstand im Sammelheft gegönnt habe, war ich mir nicht sicher, ob ich meine Trauer verdrängt, vergessen oder tatsächlich losgelassen habe. Wenn man sich für aktive Trauerarbeit entscheidet, kann man sich auch jederzeit dagegen entscheiden. Ich schulde es keinem weiter zu schreiben, außer mir selbst. Aber vielleicht nicht mal das.

Meine Großmutter verstarb 2016, mein Vater 2019, mein Großvater 2020. Es ist ok, es ist richtig, die Trauer ziehen zu lassen. Sie kehrt ohnehin wieder zurück... Mal weil mich, Rosen, Automodelle, Filme, Desserts, Redensarten an euch erinnern; mal weil Jahrestage anstehen; mal weil jemand sich lebhaft an euch erinnert und die Erinnerungen mit mir teilt. Trauer ist nicht zwingend vollkommen düster und beschwerend. Im Gegenteil manchmal ist sie nur der bittersüße Beigeschmack von schönen Erinnerungen. Auf dem Niveau kann man sich mit der Trauer arrangieren und schreibt eben nicht mehr wöchentlich in einen Trauerblog.
Ein bisschen fühle ich mich wie ein Trauerveterane. Mein neues altes Ich.

Wer liebt wird unweigerlich eines Tages trauern. Die Liebe bleibt, wenn auch (ab hier) unerwidert.

24.6.22

Bild: Bruno | Pixabay
https://pixabay.com/de/photos/zeit-uhr-zeiger-ziffernblatt-3143543/

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