Dienstag, 19. November 2019
Warnungen
Danach, nach dem Einschlag, nach dem Todesfall, nach Beginn des Trauerprozesses hallen Warnungen ganz anders nach.

"Sei froh über jedes Familienessen, du weist nie wie viele wir später mal haben."

"Hab' Geduld mit deinem Vater, er redet einfach gerne mit dir. Das tut ihm gut."

"Vater hat als einziger noch die Geduld mit dir Auto zu fahren bei deinen Fahrkünsten."

Diese Sätze waren zu seinen Lebzeiten ausgelutschte viel zu oft gehörte Warnungen, fast schon leere bedeutungslose Worthülsen. Inzwischen sind diese Warnungen zu schmerzlichen Spitzen geworden, die beim bloßen Gedanken daran verletzen.

In den gemeinsten Sprüchen steckt rückblickend so viel Liebe und so viel Vertrautheit. Man soll aufpassen was man sagt, aber die wenigsten tun es bis es zu spät ist. Der Schmerz kommt nicht von den Sätzen, sondern von der unterlassen Handlung, der unterlassenen Dankbarkeit und Wertschätzung in dem Moment.

Wir glorifizieren eine gewöhnliche Alltagserinnerung nach dem Verlust, wenn wir nicht schon vorher dankbar waren. Melancholie ist wie eine dicke Brille der Erinnerungsverzerrung.

27.10.19

Bild: Lauren McConachie / unsplash.com
https://unsplash.com/photos/9yLWgdaF6jc

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