Montag, 16. März 2020
Suizid: Der egoistische Ausweg?
"Suizid Mythos: Leute, die sich umbringen sind selbstsüchtig und machen es sich leicht

In Wahrheit: Personen die sich umbringen tun es nicht, weil sie nicht leben wollen oder ihre Leben beenden wollen, sondern weil sie ihr Leiden beenden wollen. Diese Personen leiden so tiefgründig, dass sie sich hilflos und hoffnungslos fühlen. 'Sich selbst umbringen ist in jedem Fall eine Fehlbezeichnung. Wir bringen nicht uns selbst um. Wir werden einfach besiegt vom langen schweren Ringen am Leben zu bleiben. Wenn jemand nach einer langen Erkrankung stirbt, sagen die Leute mit einem zustimmenden Ton passender Weise: Er kämpfte so schwer. Und sie neigen dazu über einen Suizid zu denken, dass kein Kampf stattgefunden hat, dass jemand einfach aufgegeben hat. Das ist ziemlich falsch.' aus: Sally Brampton, Das Monster, die Hoffnung und ich - wie ich meine Depression besiegte 2009, Bastei Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach"

aus: Kristen Fuller, M.D., Common Myths About Suicide Debunked, Psychology Today, 2020 Sussex Publishers, LLC
Übersetzung: Anna Mestisa

gefunden am 3.3.2020

Bild: cdd20 | pixabay.com
https://pixabay.com/de/illustrations/fantasien-gewehre-kugeln-killer-4065825

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Samstag, 14. März 2020
Gegenwart
Ein Jahr später sieht der Schmerz anders aus.

Dein Todestag war nicht schön. Ich wurde wenige Tage zuvor krank. Ich konnte das neun Tage Rosenkranzgebet (Novena) nicht so wahrnehmen wie ich es wollte. Mein Körper lies mich nicht. Ich war nicht an deinem Grab. Ich war zu stark erkältet. Dennoch floßen einige Tränen. Ich schätzte den Blumenstrauß meiner Kollegen zu deinem Todestag sehr. Was für eine liebe aufmunternde Geste! Doch wich der Schmerz irgendwie Tage nach deinem Todestag aus meinem Alltag.

Ende Februar hatte ich ein dunkel blaues T-Shirt an und es fühlte sich nach 13 Monaten schwarz und weiß tragen irgendwie unnatürlich an. So unnatürlich das ich als nächstes wieder ein schwarzes Shirt trug. Als ob ich dem neu eingekehrten Frieden nicht so recht vertrauen kann. Ich bin seltener traurig. Die Trauer ist weniger present in meinem Alltag, selbst Familientreffen mitgezählt.

Ich kann nicht kontrollieren was geschieht. Du hast einen neuen Platz in meinem Leben eingenommen. Ich fange an das zu akzeptieren. Es bleibt mir ja nichts anderes übrig. Ich habe heute mutig das erste mal seit langer Zeit einen lila Pulli an, den ich sehr mag.

Dein Fehlen fällt auch auf wenn meine Mutter mir Fragen zu ihrem Cathering Geschäft stellt, die du sonst erhalten hättest. Es fühlt sich noch immer alles seltsam neu und unneu an.

Aber irgendwie ist es okay und an manchen Tagen gar schön. Immer häufiger sehe ich dich auf einem gerahtem Foto in meiner Wohnung und sage dir laut und ohne Verbitterung, gar fröhlich Dinge wie "Das hätte dir gefallen." .

Wer weiß, wie ich mich an deinem Geburtstag Ende April fühle. Immerhin begreife ich langsam, dass dies einer dieser unkontrollierbaren Reaktionen in meinem gegenwärtigem Leben ist. Und das ist, denke ich, völlig ok.

Die Wellen nehmen wie sie kommen.

5.3.2020

Foto: Nasim Keshmiri | unsplash.com UND (C) Privat
https://unsplash.com/photos/q248iwcW3sY und Privat

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Donnerstag, 12. März 2020
Filmkritik: Bruder Jakob, schläfst du noch?
Österreich 2018 von Regisseur Stefan Bohun

Dieser Dokumentarfilm handelt von fünf erwachsenen Brüdern. Einer von ihnen hat sich das Leben genommen. Die überlebenden vier Brüder begeben sich auf die Spurensuche nach dem Warum um aktive Trauerverarbeitung zu betreiben, in dem sie gemeinsam an Jakobs Lieblingsort und weitere Stationen seines Lebens verreisen. Einer der Brüder ist Dokumentarfilmer und hat dieses Projekt ins Leben gerufen. Der Film beschäftigt sich überwiegend mit den Brüderbeziehungen.

Alle wichtigen Themen, die Hinterbliebenen von Suizidanten beschäftigt, werden hier angesprochen u.a. der letzte Kontakt, wie konnte es soweit kommem, die Frage nach dem Warum, Antworten zu den letzten Tagen des Suizidanten aus Kollegensicht, Einblicke ins Leben mit seiner Frau und seinen Kindern, seine Kindheitstraumas, Spuren der Anspannung vor dem letzten Schritt und mehr.

Ab Mitte des Films hatte ich so viele mehr Fragen zum Leben des Suizidanten und wusste die Antworten sind keine Antwort auf die erbarmungslose Hauptfrage: Warum.

Daher kann ich nur bestätigen diese Dokumentation gibt allen Unbetroffenen einen ganz realen tiefen Einblick in das Seelenleben der Hinterbliebenen ohne moralischen Zeigefinger und ohne Sentimentalität. Dabei schenkt der Film mit aktuellen und Kindheitsaufnahmen der Brüder immer zu wärmende Lichtblicke bei einem so ernsten und scheinbar ausschließlich trostlosem Thema.

Das Prädikat wertvoll trifft hier wahrhaftig zu.

21.2.2020


"Der Film ist auf eine schmerzvolle Weise persönlich und auf eine angemessene Weise diskret. Nur die Brüder zeigen sich ungeschützt, und man hat manchmal den Eindruck, dass sie auf diese Weise einen Kreis um Jakob ziehen, dass sie ihn in ihre Mitte nehmen, damit von diesem Tod kein weiteres Unheil ausgehen kann."

aus: Bert Rebhandl, Ein Dokumentarfilm als familientherapeutische Angelegenheit, 9.9.2018, STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. 2020

Der offizielle Trailer zum Film:
Bruder Jakob, schläfst du noch? - Der Film

Bild: Mischief Films, ORF - Österreichischer Rundfunk

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