Samstag, 30. Mai 2020
Suizide in Krimis
Seltsam, eine meiner liebsten Beschäftigungen in freiwilligen Quarantäne Zeiten um bei Verstand zu bleiben ist Krimi Serien ansehen.

Ich habe mich schon immer gewundert wie viel Platz in Büchereien Krimis verhältnismäßig zu allen anderen Roman Arten einnehmen. Meiner groben Einschätzung nach sind es ca. 3-mal so viele Romane. Egal in welcher Region, in welcher Bücherei, die längsten Regale sind immer die mit den mordlustigen Geschichten.

In einer Gesellschaft, die nicht mehr ihrer Natur nachkommt und ihren eigenen Proteinbedarf deckt, ohne sich mit dem tatsächlichen erlegten Tier auseinander zu setzen, ist der Blutdurst nach wie vor ungebrochen. Vielleicht ist es eine Form von Ersatz, den unser Instinkt einfordert. Außerdem je weniger wir unsere Finger schmutzig machen, je mehr trainieren wir in der Regel unser Gehirn. Daher bin ich nicht überrascht, dass wir, Menschen, noch immer eine gewisse Mordlust in unserem Wesen inne haben.

Mich überrascht nur, wie schnell ich nach einem Todesfall in der eigenen Familie, wieder in der Lage war Mordserien zu sehen und zu genießen. Anfangs habe ich mich mit dem Gedanken beruhigt, dass es etwas mit Spannung und Aufmerksamkeit zu tun hat. Wer sich konzentriert auf eine fiktive Geschichte stürzt, kann sich nicht mit sich selbst gedanklich beschäftigen. Gott sei dank.

Aber es hat sich grundsätzlich etwas an meinem Konsum von Krimigeschichten verändert. Mir ist früher nie aufgefallen wie oft Mörder versuchen, Morde wie Suizide aussehen zu lassen. Rein sachlich ist es logisch, warum nicht die Fährte auf das Opfer selbst legen. Jedenfalls höre ich viel bewusster zu als früher, wenn die Ermittler Ausschlussgründe suchen für einen Suizid. Beispiele sind häufig zukunftsorientierte Pläne: sei es die Buchung einer Reise; die finanzielle Investition ins eigene Geschäft; das Mitnehmen der Essensreste aus dem Restaurantbesuch für den Folgetag. Oft sind es Aussagen des näheren Umfelds: „Er liebte sein Leben.“; „So etwas würde sie niemals tun.“; „ Er war doch noch ein Kind.“.
Und dann ist da immer wieder dieses Gegenargument, dass bei mir inzwischen nur noch Kopf schütteln auslöst: „Es gab doch kein Motiv für einen Suizid.“.

Ich persönlich bin am meisten fasziniert von Einblicken in das Wesen und das Gedankengut eines Mörders. Bis heute bin ich überzeugt davon, dass die Mehrheit aller Menschen nicht auf die Welt kommen um Böses zu tun, sondern mit Boshaftigkeiten auf Traumas und Tragödien reagieren wie eine Art Rachetherapie. Daher verstehe ich das Bedürfnis die Motive eines Killers verstehen zu wollen. Vielleicht wollen wir nur die Mordlust in uns selbst ausschließen oder für unter Kontrolle erklären, indem wir Mörder verstehen versuchen.

Jedenfalls kann ich mit der Behauptung ein Suizid muss einen Grund haben, schlichtweg nichts mehr anfangen als diese im besten Fall zu belächeln. Es gibt so viele sinnlose Suizide ebenso wie sinnlose Morde.

23.05.20

Bild: Alexas_Fotos | pixabay.com
https://pixabay.com/de/photos/polizei-tatort-mord-spurensicherung-3284258/

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Dienstag, 26. Mai 2020
Suizid: Polizeiliche Ermittlungen
"§159 Strafprozeßordnung verpflichtet die Polizei zur Aufnahme von Ermittlungen bei jedem nicht natürlichen Todesfall und beim Auffinden eines unbekannten Toten. Die entsprechende Eintragung auf dem Totenschein ist „unbekannte Todesursache“ oder „nicht-natürliche Todesursache“.

§159 Strafprozessordnung
(1) Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder wird der Leichnam eines Unbekannten gefunden, so sind die Polizei- und Gemeindebehörden zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft oder an das Amtsgericht verpflichtet.
(2) Zur Bestattung ist die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft erforderlich.

Die Ermittlungen werden von dem zuständigen Polizeikommissariat oder von normalen Streifenbeamten durchgeführt, manchmal von beiden. Es wird überprüft, ob ein Unfall oder Verschulden Dritter vorliegt (fahrlässige Tötung, Mord).

Durch die mündliche Vernehmung der Angehörigen vor Ort wird versucht, ein eindeutiges Motiv für eine Selbsttötung herauszufinden. Die Leiche wird oberflächlich untersucht und fotografiert, weitere Indizien sind Gegenstände wie Tagebücher und Abschiedsbriefe, die beschlagnahmt werden können (§ 94 Strafprozeßordnung).


Im Rahmen der Ermittlungen geschieht folgendes:
Angehörige werden – meist zuhause – zu möglichen Ursachen für einen Suizid und zur Vorgeschichte befragt. Als Beweismittel kann z. B. das Tagebuch des Verstorbenen oder ein Abschiedsbrief beschlagnahmt werden. Nach einigen Tagen bekommen Sie diese Gegenstände zurück. Manchmal werden Angehörige oder Freunde aufgefordert, den Leichnam zu identifizieren. Wenn Sie Angst davor haben oder es Ihnen zu schwer fällt, können Sie dies ablehnen und darum bitten, dass jemand anderes das tut.

Die Protokolle der Ermittlungen sind Grundlage für die Entscheidung der zuständigen Staatsanwaltschaft über die Freigabe der Leiche oder einen Antrag auf Leichenschau bzw. Leichenöffnung. Diese Entscheidung kann aber nur Polizeiliche Ermittlungen die Staatsanwaltschaft treffen, deshalb dauert es bis dahin immer mindestens zwei oder drei Tage. Sobald feststeht, dass der Tod nicht durch Unfall oder Mord verursacht wurde, werden die Ermittlungen eingestellt.

Ein Toter ist im polizeilichen Sprachgebrauch ein „Gegenstand“. Der Leichnam wird beschlagnahmt und darf bis zum Transport in die Gerichtsmedizin nicht berührt oder versorgt werden. Bis zur Freigabe der Leiche durch die zuständige Staatsanwaltschaft wird sie im gerichtsmedizinischen Institut oder in einem Bestattungsinstitut bzw. einer Leichenhalle aufbewahrt. Im Gerichts-medizinischen Institut wird der Leichnam auf jeden Fall äußerlich untersucht, jedoch nur in Ausnahmefällen auch obduziert, um einen Mord auszuschließen. Die Angehörigen haben in der Regel keine Möglichkeit, die Tote oder den Toten in dieser Zeit zu sehen."

aus: AGUS e.V., Bayreuth (Herausgeber), Elisabeth Brockmann/ Lisa Höfflin/ Chris Paul/ Lutz Weiberle, Suizid und Recht - Hilfen in der Trauer nach Suizid. AGUS-Schriftenreihe

gefunden: 23.5.20

Bild: Johanna Buguet | unsplash.com
https://unsplash.com/photos/u5L8EFY1RT4

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Freitag, 22. Mai 2020
"Negative Space" | 2018 Oscar nominiert als Bester animierter Kurzfilm

Ein Kurzfilm in Stop-Motion Animation von Ru Kuwahata und Max Porter, 2017 Tiny Inventions, Frankreich


„Negativer Raum“ Gedicht von Ron Koertge

Mein Vater hat mir das Packen beigebracht: Alles rauslegen. Die Hälfte genügt. Rollen, was du rollen kannst. Sachen, die knittern, auf Sachen aus Baumwolle legen. Dann bei den Hosen: Bund auf Saum. Die Strümpfe kommen in die Ecken und Lücken. Die Gürtel wie Schlangen um den Rand legen. Obendrauf kommt Plastik. Dann, die Schuhe. Die Schweren Sachen ziehst du an.

Wir fingen damit an, als ich noch klein war. Ich rollte die Strümpfe zusammen. Dann setzte er mich in den Koffer. Die meisten kommen ihren Vätern näher, wenn sie zusammen ein paar Körbe werfen oder über Autos reden. Wir packten zusammen Koffer.

Mit zwölf durfte ich für meinen Vater packen, wenn mein Vater beschäftigt war. Meine Mutter hatte kein Händchen dafür. Er ging auf Dienstreise, öffnete den Koffer und schrieb mir jedes Mal eine Nachricht: „Perfekt.“. Dieses eine Wort von ihm bedeutete mir viel.

Die Beerdigung war schrecklich. Mein Vater lag in diesem großen Kasten. Und ich dachte… So viel vergeudeter Platz

Quelle: Deutscher Untertitel bzw. Transkript aus dem YouTubeVideo


Mich persönlich berührt die Beschreibung der Vater Kind Beziehung in diesem Kurzfilm sehr. Manche Beziehungen sind innig, auch ohne besonderes gemeinsames Hobby. Nicht jede Elternliebe sieht gleich aus und das ist auch gut so.

17.5.2020


„Negative Space” Poem (Original) by Ron Koertge

My dad taught me to pack: lay out everything. Put back half. Roll things that roll. Wrinkle-prone things on top of cotton things. Then pants, waist-to-hem. Nooks and crannies for socks. Belts around the sides like snakes. Plastic over that. Add shoes. Wear heavy stuff on the plane. We started Chevrolets. We did it over luggage.

When I was little. I’d roll up socks. Then he’d pretend to put me in the suitcase, and we’d laugh. Some guys bond with their dads shooting hoops or talking about cars.

By the time I was twelve, if he was busy, I’d pack for him. Mom tried but didn’t have the knack. He’d get somewhere for work, open his suitcase and text me—”Perfect.” That one word from him meant a lot.

The funeral was terrible—him laid out in that big carton and me crying and thinking, Look at all that wasted space.

aus: Ron Koertge, Sex World. © Red Hen Press, 2014 Pasadena


FILMREZENSION (Deutsch)
film-rezensionen.de - Popcorn & Independant

MAKING OF (Englisch)
Arte France - Caïmans Production

INTERVIEW (Englisch)
Ru Kuwahata and Max Porter (directors) Interview with Ron Koertge (author) Part 1 / Part 2 / Part 3

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