Dienstag, 2. Juni 2020
Suizid: Lebensversicherungen und Selbsttötungsklauseln
Risikolebensversicherung zahlt nicht: Todesursache ist entscheidend

"Im Falle eines Selbstmords (Suizid) wird die Versicherung die Todesfallsumme den Hinterbliebenen nur dann auszahlen, sofern nachgewiesen werden kann, dass der Versicherte einen durch psychologische Gutachten nachgewiesenen labilen Gemütszustand hatte. Wenn der Versicherungsnehmer also aufgrund seiner labilen Psyche Selbstmord begeht, gilt in diesem Fall die freie Willensbestimmung als eingeschränkt, und die Versicherung verpflichtet sich dazu, den Betrag den Hinterbliebenen auszuzahlen. Im Falle eines Suizides haben jedoch alle Versicherer eine Karenzzeit, die im Normalfall drei Jahre dauert. Sollte sich der Versicherer innerhalb dieser drei Jahre ohne einen ersichtlichen Grund das Leben nehmen, zahlt die Versicherung nicht, außer die bereits eingezahlten Beiträge."

aus: Rechtsanwalt Dr. Timo Gansel, Kanzlei Gansel Rechtsanwälte, Berlin, Risikolebensversicherung zahlt nicht: Das raten Experten


Muss der Lebensversicherer auch bei Suizid leisten?

"Rechtsanwalt Lutz Weiberle, Fachanwalt für Versicherungsrecht und für Medizinrecht:
Oft wird auf diese Frage mit Nein geantwortet und das ist ein Irrtum. Eine Beschränkung der Leistungspflicht besteht in der Regel nur für die ersten drei (u.U. fünf) Jahre nach Zahlung der ersten Prämie. Nach Ablauf dieser sogenannten Wartefrist besteht für die Hinterbliebenen bzw. Begünstigten der Anspruch auf die Versicherungssumme. Bis zum 31.12.2007 war dies in den Musterbedingungen mit teilweise unterschiedlichen Wartefristen geregelt. Ab dem 01.01.2008 ist dies für Neuverträge gesetzlich in § 161 Versicherungsvertragsgesetz geregelt:

Versicherungsvertragsgesetz (VVG)§ 161 - Selbsttötung
(1) Bei einer Versicherung für den Todesfall ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn die versicherte Person sich vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Versicherungsvertrags vorsätzlich selbst getötet hat. Dies gilt nicht, wenn die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit began-gen worden ist.
(2) Die Frist nach Absatz 1 Satz 1 kann durch Einzelvereinbarung erhöht werden.
(3) Ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, hat er den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 zu zahlen.
Mittels Einzelvereinbarung können aber höhere Fristen vereinbart werden. Daher sollten in jedem Einzelfall die konkreten Vereinbarungen mit dem Versicherer überprüft werden."

aus: AGUS e.V., Bayreuth (Herausgeber), Elisabeth Brockmann/ Lisa Höfflin/ Chris Paul/ Lutz Weiberle, Suizid und Recht - Hilfen in der Trauer nach Suizid. AGUS-Schriftenreihe


Desillusioniert vom vertrauensvollen Umgang mit Versicherten

"Gegen Ende des 16. Jahrhunderts entstand die erste Lebensversicherung nach heutigem Verständnis. 1583 wurde in London das Leben von „William Gybbon“ versichert. Diese Lebensversicherung hatte eine Laufzeit von einem Jahr. Allerdings weigerte sich die Versicherung die vereinbarte Summe auszuzahlen, als Gybbons 364 Tage später verstarb.

Diese frühen Formen der Lebensversicherungen wurden meist zwischen Geschäftsleuten oder Handwerkern abgeschlossen, deren Geschäfte auf Vertrauen und positiver Reputation basierten. Man kannte sich also und ging davon aus, dass das Gegenüber vertrauenswürdig war. Dies änderte sich, als Anfang des 18. Jahrhunderts massenhaft Versicherungen gegen Feuer und Tod aufkamen.
Tausende Versicherungen wurden abgeschlossen, wodurch es unmöglich wurde, jeden Versicherten und dessen Reputation persönlich zu kennen. Schnell wurde deutlich: Menschen, die bereits krank waren, schlossen eher Lebensversicherungen ab und es wurde betrogen, wo es nur ging.

Darauf reagierten die Versicherungen wiederum, indem sie begannen ausführliche Gesundheitsprüfungen durchzuführen, das Umfeld des Versicherungsnehmers zu prüfen und die Auszahlungsbedingungen zu verschärfen. So setzten sich die ersten Suizidklauseln durch.

Kein Geld bei Tod durch die eigene Hand, Duell oder Hinrichtung! So enthielten die Standardvertragsbedingungen der 1823 gegründeten Massachusetts Hospital Life Insurance Company folgenden Passus: „…in case he shall die by his own hand, in, or in consequence of a duel, or by the hands of justice, […], this Policy shall be void, null, and of no effect.“

Der Blick in die Vergangenheit zeigt: Schon im 18. Jahrhundert mussten sich die Versicherungen Strategien gegen Versicherungsbetrug einfallen lassen. Die Selbstmordklausel ist eine davon.
Der Name klingt zwar makaber, doch die Selbstmordklausel dient sowohl dem Schutz des Versicherungsunternehmens, als auch dem Schutz des Versicherten. Sie wirkt der Verlockung entgegen, die Hinterbliebenen mit einer Risikolebensversicherung finanziell abzusichern, um sich dann – guten Gewissens – das Leben zu nehmen."

aus: Dennis Just (Knip), Die Selbstmordklausel – Makabrer Paragraph schützt Versicherer, 22.6.2016

gefunden 23.5.20

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Samstag, 30. Mai 2020
Suizide in Krimis
Seltsam, eine meiner liebsten Beschäftigungen in freiwilligen Quarantäne Zeiten um bei Verstand zu bleiben ist Krimi Serien ansehen.

Ich habe mich schon immer gewundert wie viel Platz in Büchereien Krimis verhältnismäßig zu allen anderen Roman Arten einnehmen. Meiner groben Einschätzung nach sind es ca. 3-mal so viele Romane. Egal in welcher Region, in welcher Bücherei, die längsten Regale sind immer die mit den mordlustigen Geschichten.

In einer Gesellschaft, die nicht mehr ihrer Natur nachkommt und ihren eigenen Proteinbedarf deckt, ohne sich mit dem tatsächlichen erlegten Tier auseinander zu setzen, ist der Blutdurst nach wie vor ungebrochen. Vielleicht ist es eine Form von Ersatz, den unser Instinkt einfordert. Außerdem je weniger wir unsere Finger schmutzig machen, je mehr trainieren wir in der Regel unser Gehirn. Daher bin ich nicht überrascht, dass wir, Menschen, noch immer eine gewisse Mordlust in unserem Wesen inne haben.

Mich überrascht nur, wie schnell ich nach einem Todesfall in der eigenen Familie, wieder in der Lage war Mordserien zu sehen und zu genießen. Anfangs habe ich mich mit dem Gedanken beruhigt, dass es etwas mit Spannung und Aufmerksamkeit zu tun hat. Wer sich konzentriert auf eine fiktive Geschichte stürzt, kann sich nicht mit sich selbst gedanklich beschäftigen. Gott sei dank.

Aber es hat sich grundsätzlich etwas an meinem Konsum von Krimigeschichten verändert. Mir ist früher nie aufgefallen wie oft Mörder versuchen, Morde wie Suizide aussehen zu lassen. Rein sachlich ist es logisch, warum nicht die Fährte auf das Opfer selbst legen. Jedenfalls höre ich viel bewusster zu als früher, wenn die Ermittler Ausschlussgründe suchen für einen Suizid. Beispiele sind häufig zukunftsorientierte Pläne: sei es die Buchung einer Reise; die finanzielle Investition ins eigene Geschäft; das Mitnehmen der Essensreste aus dem Restaurantbesuch für den Folgetag. Oft sind es Aussagen des näheren Umfelds: „Er liebte sein Leben.“; „So etwas würde sie niemals tun.“; „ Er war doch noch ein Kind.“.
Und dann ist da immer wieder dieses Gegenargument, dass bei mir inzwischen nur noch Kopf schütteln auslöst: „Es gab doch kein Motiv für einen Suizid.“.

Ich persönlich bin am meisten fasziniert von Einblicken in das Wesen und das Gedankengut eines Mörders. Bis heute bin ich überzeugt davon, dass die Mehrheit aller Menschen nicht auf die Welt kommen um Böses zu tun, sondern mit Boshaftigkeiten auf Traumas und Tragödien reagieren wie eine Art Rachetherapie. Daher verstehe ich das Bedürfnis die Motive eines Killers verstehen zu wollen. Vielleicht wollen wir nur die Mordlust in uns selbst ausschließen oder für unter Kontrolle erklären, indem wir Mörder verstehen versuchen.

Jedenfalls kann ich mit der Behauptung ein Suizid muss einen Grund haben, schlichtweg nichts mehr anfangen als diese im besten Fall zu belächeln. Es gibt so viele sinnlose Suizide ebenso wie sinnlose Morde.

23.05.20

Bild: Alexas_Fotos | pixabay.com
https://pixabay.com/de/photos/polizei-tatort-mord-spurensicherung-3284258/

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Dienstag, 26. Mai 2020
Suizid: Polizeiliche Ermittlungen
"§159 Strafprozeßordnung verpflichtet die Polizei zur Aufnahme von Ermittlungen bei jedem nicht natürlichen Todesfall und beim Auffinden eines unbekannten Toten. Die entsprechende Eintragung auf dem Totenschein ist „unbekannte Todesursache“ oder „nicht-natürliche Todesursache“.

§159 Strafprozessordnung
(1) Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder wird der Leichnam eines Unbekannten gefunden, so sind die Polizei- und Gemeindebehörden zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft oder an das Amtsgericht verpflichtet.
(2) Zur Bestattung ist die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft erforderlich.

Die Ermittlungen werden von dem zuständigen Polizeikommissariat oder von normalen Streifenbeamten durchgeführt, manchmal von beiden. Es wird überprüft, ob ein Unfall oder Verschulden Dritter vorliegt (fahrlässige Tötung, Mord).

Durch die mündliche Vernehmung der Angehörigen vor Ort wird versucht, ein eindeutiges Motiv für eine Selbsttötung herauszufinden. Die Leiche wird oberflächlich untersucht und fotografiert, weitere Indizien sind Gegenstände wie Tagebücher und Abschiedsbriefe, die beschlagnahmt werden können (§ 94 Strafprozeßordnung).


Im Rahmen der Ermittlungen geschieht folgendes:
Angehörige werden – meist zuhause – zu möglichen Ursachen für einen Suizid und zur Vorgeschichte befragt. Als Beweismittel kann z. B. das Tagebuch des Verstorbenen oder ein Abschiedsbrief beschlagnahmt werden. Nach einigen Tagen bekommen Sie diese Gegenstände zurück. Manchmal werden Angehörige oder Freunde aufgefordert, den Leichnam zu identifizieren. Wenn Sie Angst davor haben oder es Ihnen zu schwer fällt, können Sie dies ablehnen und darum bitten, dass jemand anderes das tut.

Die Protokolle der Ermittlungen sind Grundlage für die Entscheidung der zuständigen Staatsanwaltschaft über die Freigabe der Leiche oder einen Antrag auf Leichenschau bzw. Leichenöffnung. Diese Entscheidung kann aber nur Polizeiliche Ermittlungen die Staatsanwaltschaft treffen, deshalb dauert es bis dahin immer mindestens zwei oder drei Tage. Sobald feststeht, dass der Tod nicht durch Unfall oder Mord verursacht wurde, werden die Ermittlungen eingestellt.

Ein Toter ist im polizeilichen Sprachgebrauch ein „Gegenstand“. Der Leichnam wird beschlagnahmt und darf bis zum Transport in die Gerichtsmedizin nicht berührt oder versorgt werden. Bis zur Freigabe der Leiche durch die zuständige Staatsanwaltschaft wird sie im gerichtsmedizinischen Institut oder in einem Bestattungsinstitut bzw. einer Leichenhalle aufbewahrt. Im Gerichts-medizinischen Institut wird der Leichnam auf jeden Fall äußerlich untersucht, jedoch nur in Ausnahmefällen auch obduziert, um einen Mord auszuschließen. Die Angehörigen haben in der Regel keine Möglichkeit, die Tote oder den Toten in dieser Zeit zu sehen."

aus: AGUS e.V., Bayreuth (Herausgeber), Elisabeth Brockmann/ Lisa Höfflin/ Chris Paul/ Lutz Weiberle, Suizid und Recht - Hilfen in der Trauer nach Suizid. AGUS-Schriftenreihe

gefunden: 23.5.20

Bild: Johanna Buguet | unsplash.com
https://unsplash.com/photos/u5L8EFY1RT4

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