Mittwoch, 8. Mai 2024
Ich kümmere mich...
"Maybe if you cared enough, I wouldn't have to care so much. What happened to our trust?" (Original)

"Wenn du dich genug kümmern würdest, müsste ich mich nicht so sehr kümmern. Was ist aus unserem Vertrauen geworden?" (Übersetzung)

aus dem Lied "I care" von Beyoncé.


Diese Liedzeilen beschreiben meine Verzweiflung und Ausweglosigkeit so so gut. Ich kann nicht aufhören mich zu kümmern. Ich kann nicht aufhören meinen Geliebten Verstorbenen meine Treue zu beweisen, obwohl ich mich von ihnen im Stich gelassen fühle. Ich kann nicht anders als wenigstens versuchen, meine Großeltern und meinen Vater stolz zu machen. Ich kann nicht anders, obwohl es schmerzt, obwohl es Kraft kostet, obwohl ich nicht mehr kann, obwohl es vielleicht gar keinen Unterschied mehr macht.

Man hält mich vor Ort ohnehin für den Außenseiter und die Fremde. Bis zu einem gewissen Grad trifft das zu. Der ein oder andere hält mich womöglich für einen Erbschleicher. Keiner von ihnen wusste wirklich, wie es im Innenverhältnis in dieser Familie aussah. Ich selbst habe es erst nach Jahren im Detail erfahren... die Auseinandersetzungen und Enttäuschungen und Streitereien und verletzten Egos von Vater und Sohn... Ironischerweise wollten aber beide Seiten im Kern immer dasselbe: Der eigenen Familie etwas hinterlassen. Nur ist der Eine daran um haares-breite gescheitert und dadurch psychisch völlig zerbrochen und der Andere daran verbittert. Ein Teil von mir will - nicht- vernünftig sein und es als Investition behandeln, sondern das Haus einfach anzünden oder mit dem Bagger Stück für Stück einreißen, um den Schmerz, den es verursacht hat, endlich Farbe und Klang zu geben.

Kaum das ich mich beruhigen kann, schäme ich mich für diese Gedanken. Dieses Erbe ist das Lebenswerk meiner Großeltern. Wie könnte ich als liebende Treue Enkelin, die den Vornamen Ihrer Großmutter mit Stolz trägt, etwas anderes tun als vernünftig damit umzugehen?? Ich komme mir sowieso wie ein Verräter vor, einen Ausverkauf vorzubereiten und einzuleiten. Aber soll ich nur aus Schuldgefühlen meine Heimat, meine Wurzeln für die Wurzeln meiner Großeltern und meines Vaters aufgeben?? Das kommt mir mindestens genauso irre vor wie der bereits eingeschlagene Weg.

Ich hoffe, bete, vertraue darauf, dass meine Großeltern meinen Brüdern und mir diese schwere Entscheidung eines Tages vergeben werden.

Ich kümmere mich so gut ich kann, und doch war und wird es immer, zu wenig und zu spät sein. Damit muss ich nun irgendwie zurechtkommen.

20.11.21

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Montag, 6. Mai 2024
Nachricht über Todesfall
Wir geben uns große Mühe höflich und mit aufrichtigem Mitgefühl auf die Nachricht eines Verstorbenen zu reagieren. Dabei geht es oft gar nicht zwingend um die verstorbene Person, sondern viel mehr um die Hinterbliebenen. Es geht darum den Hinterbliebenen den Halt zu geben, den Sie nun brauchen. Wenig Dinge trösten, so sehr wie die volle Kraft deines sozialen Umfelds in Aktion zu erleben, nachdem das schlimmste was passieren kann, auch passiert ist. Es sind die kleinen Dinge an denen wir uns in diesen Momenten klammern.

Als jemand der sich nicht im engeren Kreis befindet, aber teilnahme zeigen möchte, ist das gefühlte richtige Maß der Dinge finden etwas komplexer. Aber meist ergibt sich das auch natürlich. Ich spiegele ihr Verhalten mir gegenüber wieder und lande genau in der süßen Mitte.

Man vergisst nicht, wer den eigenen Liebsten die letzte Ehre erweist. Dankbar.

25.5.22

Bild von Albrecht Fietz auf Pixabay
Bild von Albrecht Fietz auf

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Donnerstag, 2. Mai 2024
Mein Logbuch der Trauer
Ich habe diesen Trauerblog wie eine Art Logbuch einer Krankheit geführt. Ich habe versucht meine Fortschritte zu analysieren und zu fördern, versucht meine Ängste zu konfrontieren. Ich wollte das Paket Trauer annehmen, verarbeiten und dann weiterleiten oder loslassen. Anstatt dessen habe ich mir eine Art Schrein, ausgeschmückte Narben, ein digitales Sammelheft zum zur Schau stellen erarbeitet.

Wenn ich mir also eine Woche oder einen Monat stillstand im Sammelheft gegönnt habe, war ich mir nicht sicher, ob ich meine Trauer verdrängt, vergessen oder tatsächlich losgelassen habe. Wenn man sich für aktive Trauerarbeit entscheidet, kann man sich auch jederzeit dagegen entscheiden. Ich schulde es keinem weiter zu schreiben, außer mir selbst. Aber vielleicht nicht mal das.

Meine Großmutter verstarb 2016, mein Vater 2019, mein Großvater 2020. Es ist ok, es ist richtig, die Trauer ziehen zu lassen. Sie kehrt ohnehin wieder zurück... Mal weil mich, Rosen, Automodelle, Filme, Desserts, Redensarten an euch erinnern; mal weil Jahrestage anstehen; mal weil jemand sich lebhaft an euch erinnert und die Erinnerungen mit mir teilt. Trauer ist nicht zwingend vollkommen düster und beschwerend. Im Gegenteil manchmal ist sie nur der bittersüße Beigeschmack von schönen Erinnerungen. Auf dem Niveau kann man sich mit der Trauer arrangieren und schreibt eben nicht mehr wöchentlich in einen Trauerblog.
Ein bisschen fühle ich mich wie ein Trauerveterane. Mein neues altes Ich.

Wer liebt wird unweigerlich eines Tages trauern. Die Liebe bleibt, wenn auch (ab hier) unerwidert.

24.6.22

Bild: Bruno | Pixabay
https://pixabay.com/de/photos/zeit-uhr-zeiger-ziffernblatt-3143543/

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