Dienstag, 3. Dezember 2019
Ent-Täuschung (In der Nacht...)
In der Nacht ist Stille.
In der Nacht ist Dunkelheit.
In der Nacht ruht die Welt.
In der Nacht bleibt alles stehen wie bei einem Waffenstillstand.
In der Nacht bin ich allein mit meinen Gedanken,
Allein mit meinen Gefühlen.
Und wenn ich loslasse, ist meine Psyche im Schlaf frei
von meinen gesetzten Grenzen.
Meine Psyche lässt mein Unterbewusstsein atmen
in Gedankenspielen.
In Welten die meiner völlig fremd sind in Zeit,
Raum und Lebewesen,
aber deren Gefühle gleichen exakt der realen Welt.
Und manchmal ist es eine Welt genau wie die echte
nur mit dem Unterschied,
dass ich hier meine Gefühle nicht zurückhalte.
Hier haben sie freien Lauf.
Ich kann ihnen nachgehen ohne alles zu verlieren,
ohne auch nur eine Sache zu riskieren.
Hier trainiere ich mögliche Auswege
aus dem verfahrenen Zustand in dem ich bin.
Manchmal gefällt mir gar nicht
was mein Unterbewusstsein mir vorschlägt,
weil es gegen alles geht was und wer ich bin.
Aber die Erleichterung, die ich im Traum empfand,
fühlte sich unheimlich real an.
Zu wissen das es Auswege gibt, ist wie Folter.
Zu Wissen das man sich selbst hier reinmanövriert hat,
ist nicht bloß ein Ärgernis.
Es ist wie die Erkenntnis eines eigenen Fehlers.
Es treibt mich um und verleitet zu mehr Dummheiten.
Und als ich aufwache spüre ich eine Leere.
Als hätte ich die ersehnte Erleichterung eingetauscht
gegen alles was ich bin und gegen alles für das ich stehe.
Wer braucht schon Familie?
Wer braucht schon einen Mann?
Wozu Kinder bekommen so kurz vorm Klimazusammensturz?
Nur um sagen zu können, ich habe gelebt??
Ich habe mir das anders gewünscht.
Ich habe mir das alles anderes vorgestellt.
Aber genau das ist der Knackpunkt.
Das ist die Matrix.
Vorstellung und Erwartungen treffen
auf Realität und eigene Unzulänglichkeiten.
Ich wache nicht bloß aus meinem Schlaf und meinem Traum auf.
Ich wache auch aus meiner Vorstellung meines Lebens auf.
Da ist keine schöne Wohnung.
Da ist kein Auto.
Da ist keine Aussicht auf ein reibungsfreies Eheleben.
Da ist keine gesunde Familie.
Da ist kein Sicherheitsnetz mehr.
Da ist kein Job mehr in dem ich wirklich gut bin
und der mich weiter fordert und bildet.
Eine Branche die mal ehrwürdig war
und inzwischen wie alle andere ums Überleben buhlt.
Da ist keine Hoffnung mehr in einer Welt zu leben
in der Harte Arbeit an die vom Staat glorifizierten Ziele führt.
Der Staat zersetzt sich selbst.
Die Weltwirtschaft zersetzt sich selbst
in seinen unglaubwürdigen Lügen.
Wer will denn da noch ein Eigenheim?
Wer will denn da noch das Haus mit Garten
und weißem Zaun drumherum?
Den Hund dazu?
Die Gesellschaft in der ich lebe degeneriert sich selbst.
Da ist keine Hoffnung mehr auf Vernunft, Respekt und Rücksichtnahme.
Ich lebe in einer Welt voller Gier Einzelner,
voller manipulativer Individueen mit eigener Agenda
fernab jeglichem Gemeinschaftsinstikt.
Vielleicht spricht die Depression aus mir,
aber ich stecke definitiv fest in meinem Leben.
Ich stehe mitten in einem Scherbenhaufen
und bin es leid mich zu schneiden und auszubluten.
Aufgeben ist eine Option,
das weiß ich seit seinem Suizid.

Bild: Free-Photos | pixabay.com
https://pixabay.com/de/photos/zisterne-wasser-architektur-stausee-918467/

Ich schäme mich diesen Vergleich überhaupt zu denken.
Ich hätte mich eher allein abgesetzt mit einer Echthaarperücke.
Ich hätte alle meine Kraft in meine physische Gesundheit
und in mein Erpartes gesteckt und mein Spanisch aufgefrischt.
Und dann hätte ich eine Reise durch Lateinamerika begonnen
durch Kuba, Dominikanische Republik, Puerto Rico, Jamaica,
Costa Rica, Kolumbien, Venezuela, Peru und Brasilien
und würde dabei das Karibische Meer und den Noratlantik
so oft durchkreuzen und durchschiffen wie nur möglich.
Nur um am brasilianischen Strand
unter all der grotesken menschlich manipulierten
Schönheit unterzugehen.
Vermutlich würde mich irgend ein Drogenkurier
bereits bei überschreiten der 2. Landesgrenze umschießen.
Aber alles besser als es selbst zu tun
und einmal wirklich versuchen als Latina durchzugehen.
Diese Vorstellung ist völlig absurd und doch machbar,
mindestens so machbar wie der Suizid.
Ich als Betroffene sollte wach nicht so reden.
Aber wenn nicht ich mit Erfahrung, wer denn dann?
Mein verstorbener Vater wird nicht darüber reden.
Im Leben erfüllt sich selten die Wunschvorstellung des Einzelnen.
Aber jeden Tag haben wir die Chance unseren Träumen nachzujagen,
ihnen zu folgen, sind sie auch noch so naiv und unwahrscheinlich.
Er hat das vergessen unter all den Lasten.
Ich habe es nicht vergessen, obwohl ich vergessen will.
Noch immer gebrochen oder nicht laufe ich
meinen lächerlich unwahrscheinlich gewordenen Träumen nach.
Ich sehe das es andere schaffen.
Ich war dabei als sie heirateten.
Ich war dabei als sie von ihren Reisen erzählten
als sie neue Wohnungen bezogen.
Ich habe ihre Kinder getroffen.
Ich weiß, ich kann wie sie werden.
Aber ich weiß auch, dass mein Weg dahin ein völlig anderer ist.
Vielleicht will mich das Leben ein mal richtig zerbrechen,
ehe es mir eine Chance schenkt.
Wir werden sehen wie ich diese Chance nehme
und wo sie mich hinführt.

15.11.19 7:32 / 1

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