Dienstag, 28. April 2020
Fortschritte alias Lebensereignisse
Manchmal, so wie gestern, unterhalte ich mich mit Freunden oder Bekannten, die ich länger nicht gesehen oder gehört habe. Aus den vielen Neuigkeiten entsteht ein Vorher-Nacher-Bild meiner Freunde und ich frage mich wo die Zeit bloß geblieben ist. Diese Frage nach der Zeit ist gar nicht reumutig oder verbittert, sondern lediglich verwundert. Ich freue mich mit meinen Freunden über ihre jeweiligen Fortschritte (Schwanger, Berufliche Selbstständigkeit, Verlobt). Nach dem Gespräch wundere ich mich, warum es bei mir keine großen Neuigkeiten gibt, während meine Freunde Lebensereignisse zelebrieren.

Und dann fällt mir in meiner besten Laune wieder ein, dass ich vor kurzem noch eine Tragödie zu verarbeiten hatte. Ich habe den Tod meines Vaters während dem Gespräch völlig ausgeblendet. Nicht weil ich dieses "Lebensereignis" verdrängt habe, sondern weil ich so sehr aufs zelebrieren meiner Freunde konzentriert war.
Ich habe es nicht laut gegenüber meinen Freunden ausgesprochen, aber ich bin stolz auf mich mein Leben in seinem jetzigen Zustand (ohne Ehering, ohne Kind, ohne Haus, ohne Beförderung) lieben zu können. Ich bin stolz auf meinen geistigen Zustand; im Reinen mit mir, meinem Mann, meinem Leben zu sein. Das war kein leichter Weg hierher.
Eine Tragödie, wie die in meinem Leben, kann ein Leben nachhaltig zerstören. Manche Menschen erholen sich nicht von so einem Verlust.

Der Geburtstag meines verstorbenen Vaters steht vor der Tür und mein Geist ist ruhig, ja ausgeglichen, gar friedlich. Wenn das kein Grund zum feiern ist, weiß ich auch nicht weiter.
Man bekommt für seine geistige Genesung kein großes Geschenk, Grußkarten oder wird gar gefeiert von anderen. Aber das ist auch gar nicht nötig.
Ich feiere mich selbst, während ich plane wie ich meinem Vater an seinem Grab zum Geburtstag gratulieren werde.

Fortschritte und Lebensereignisse muss jeder für sich selbst bewerten. Denn die Menschen, die einem gratulieren, sind nicht die Gesichter, die man jeden Morgen und jeden Abend im Spiegel ertragen muss oder lieben kann. Es ist mein eigenes Gesicht in der Reflexion des Spiegels. Es hat sein Lächeln wieder gefunden.

27.4.2020

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Fortschritte sind eben nicht immer "Lebensereignisse". Schön, dass sie sie auch so genießen können.

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So ist es. Das eine muss mit dem anderen nichts zu tun haben. Das Leben ist voller Grauzonen. 😊

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