Donnerstag, 19. März 2020
Partner Verlust
"Nachdem das Schlimmste geschehen ist, lernte ich auch, dass alles andere im Leben sehr viel klarer wird. In den Momenten nach Phils Tod, bewegte sich mein Hirn eine Meile pro Minute. Wahrscheinlich nur durch das Adrenalin, dass durch ein unglaublich traumatisches Erlebnis ausgelöst wurde, habe ich mich so viel selbstsicherer gefühlt und auch wie ich in der Welt fungierte v.a. in Bezug auf was ich will. In diesen frühen Momenten mussten Entscheidungen getroffen werden, inklusive mit wem will ich mich umgeben und wie will ich meine Tage verbringen. Dieses Adrenalin und dieser Sinn nach meinem Selbst begleitete mich die ersten Wochen des Schocks, durch mein erstes Trauerjahr und bis zu der Person, die ich jetzt bin. Ich fühle mich stärker mit jedem ausgesprochenen Nein und beim Fällen von schweren Entscheidungen…
Die Erfahrung Phil zu verlieren war wie ein Weckruf: Das Leben ist kurz. Ich fühle mich jetzt mehr mit meiner Familie verbunden denn je zuvor. Ich wertschätzte die Freunde und die Unterstützung in meinem Leben, weil ich es ohne sie nicht dadurch geschafft hätte…"

aus: Alex Morales, What losing my boyfriend when I was only 30 taught me about grief, HelloGiggles in the InStyle Beauty Group and Meredith Corporatio
Übersetzung: Anna Mestisa

gefunden am 2.3.2020

Neil Thomas | unsplash.com
https://unsplash.com/photos/SIU1Glk6v5k

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Samstag, 14. März 2020
Gegenwart
Ein Jahr später sieht der Schmerz anders aus.

Dein Todestag war nicht schön. Ich wurde wenige Tage zuvor krank. Ich konnte das neun Tage Rosenkranzgebet (Novena) nicht so wahrnehmen wie ich es wollte. Mein Körper lies mich nicht. Ich war nicht an deinem Grab. Ich war zu stark erkältet. Dennoch floßen einige Tränen. Ich schätzte den Blumenstrauß meiner Kollegen zu deinem Todestag sehr. Was für eine liebe aufmunternde Geste! Doch wich der Schmerz irgendwie Tage nach deinem Todestag aus meinem Alltag.

Ende Februar hatte ich ein dunkel blaues T-Shirt an und es fühlte sich nach 13 Monaten schwarz und weiß tragen irgendwie unnatürlich an. So unnatürlich das ich als nächstes wieder ein schwarzes Shirt trug. Als ob ich dem neu eingekehrten Frieden nicht so recht vertrauen kann. Ich bin seltener traurig. Die Trauer ist weniger present in meinem Alltag, selbst Familientreffen mitgezählt.

Ich kann nicht kontrollieren was geschieht. Du hast einen neuen Platz in meinem Leben eingenommen. Ich fange an das zu akzeptieren. Es bleibt mir ja nichts anderes übrig. Ich habe heute mutig das erste mal seit langer Zeit einen lila Pulli an, den ich sehr mag.

Dein Fehlen fällt auch auf wenn meine Mutter mir Fragen zu ihrem Cathering Geschäft stellt, die du sonst erhalten hättest. Es fühlt sich noch immer alles seltsam neu und unneu an.

Aber irgendwie ist es okay und an manchen Tagen gar schön. Immer häufiger sehe ich dich auf einem gerahtem Foto in meiner Wohnung und sage dir laut und ohne Verbitterung, gar fröhlich Dinge wie "Das hätte dir gefallen." .

Wer weiß, wie ich mich an deinem Geburtstag Ende April fühle. Immerhin begreife ich langsam, dass dies einer dieser unkontrollierbaren Reaktionen in meinem gegenwärtigem Leben ist. Und das ist, denke ich, völlig ok.

Die Wellen nehmen wie sie kommen.

5.3.2020

Foto: Nasim Keshmiri | unsplash.com UND (C) Privat
https://unsplash.com/photos/q248iwcW3sY und Privat

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Samstag, 7. März 2020
Gehe nur duschen
von Jared Singer

Das Schwerste das ich je getan habe
war eine Dusche zu nehmen
Den Körper von jemandem zu halten, die du liebst,
die Selbstmord begangen hat, ist einfach
Alles was du tun musst, ist still sitzen,
während du auf die Sanitäter wartest und hoffst, dass du dich irrst
Betest, dass es hier noch immer eine Person zu retten gibt

Wenn du dich im Schock befindest
ist das Gewicht eines Torsos unerheblich
All die Belastung die es deinem Körper abverlangt, du könntest genauso gut am Strand sitzen und ein Buch halten
Ich denke wir sollten das Wort "Tragödie" umbenennen
in "welches, das ist unmöglich darüber hinwegzukommen"
Es sei denn du bist ungemein glücklich
wird es dir geschehen
und an dem Tag wenn all deine fröhlichen Tagräume so winzig
und all deine Alpträume so gigantisch groß wirken
an dem Tag wenn das Schlimmste "was wäre wenn", dass du dir je vorstellen kannst, bereits geschehen ist
Wenn eine Freundin, die du liebst sich das Leben nimmt
Wenn dein Stiefvater gelähmt ist, wahrscheinlich für immer
was auch immer deine Tragödie ist
Bitte benutze mich als warnende Fabel

Weil nur ein Verrückter versucht das Unmögliche zu tun
nach ihrem Tod war ich tatsächlich ein Verrückter
Ich versuchte über ihren Suizid hinwegzukommen
und dabei versagend,
tat ich nichts
Ich saß in meinem eigenen Schmutz für 3 Wochen
bis ein guter Freund ein Handtuch tragend in mein Zimmer lief
in der Hoffnung, dass ich keine weitere unmögliche Aufgabe sei
und sagte "Du gehst jetzt Duschen, sofort"
Diese Dusche war das Schwerste, dass ich je getan habe

Du kannst nicht über jemanden hinweg kommen,
aber du kannst duschen
und dann kannst du dich anziehen,
und dann kannst du deine Schlüssel finden,
und dann kannst du Lebensmittel einkaufen,
und dann kannst du deine Wäsche waschen,
und dann sind es 10 Jahre später
und sie sind noch immer tot und du bist glücklich

Ich glaube nicht an Gott
Aber ich glaube an Wunder
und an Dinge, die so riesig sind, dass sie unmöglich wirken
wenn du diese Dinge tust in winzigen Schritten
einen nach dem anderen,
kannst du sie schaffen

Duschen gehen ist ein Wunder
Hier sein ist ein Wunder

Schau, das ist das echte Beispiel
wir alle geben auf und wir alle sullen uns in unserem eigenen
was auch immer Schreckliches wir uns sullen

Aber wenn du Glück hast
wenn es ein Wunder gibt
duscht du dich
und du stehst auf
und du machst weiter, eine winzige Sache nach der anderen,
bis die Welt ein ein bisschen weniger dunklerer Ort ist

gefunden 14.1.2020
Deutsche Übersetzung: Anna Mestisa

Englischer original Text
Just Take A Shower by Jared Singer
aus: Forgive Yourself These Tiny Acts of Self-Destruction, 2019, Button Poetry

Videoclip der Performance im englischsprachigen Original
Jared Singer - "Just Take a Shower" (Button Live)

Bild: dimitrisvetsikas1969 | pixabay.com
https://pixabay.com/de/photos/welle-wasser-surfen-ozean-meer-3445011/

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Donnerstag, 27. Februar 2020
Meine Depression meiner Mutter erklären
von Sabrina Benaim

Mutti, meine Depression ist eine Gestaltenwandlerin
An einem Tag ist sie klein wie ein Leuchtkäfer
in der Handfläche eines Bären
Am nächsten ist sie der Bär
An diesen Tagen stelle ich mich tot, bis der Bär mich in Ruhe lässt
Ich nenne die schlechten Tage „die dunklen Tage“
Mutti sagt „versuch Kerzen anzuzünden“
Aber wenn ich eine Kerze sehe, sehe ich das Fleisch der Kirche
Das Flackern einer Flame
Entzündet eine Erinnerung jünger als die Mittagsstunde
Ich stehe neben ihrem offenen Sarg

Es ist der Moment, in dem ich begreife, dass jede Person,
die ich jemals kennen lerne eines Tages sterben wird
Außerdem Mutti, ich habe keine Angst vor der Dunkelheit,
vielleicht ist das Teil des Problems
Mutti sagt „Ich dachte, das Problem ist,
dass du nicht aus dem Bett kommst“
Ich kann nicht, Angst hält mich als Geisel in meinem Haus,
in meinem Kopf
Mutti sagt „Woher kommt diese Angst?“
Angst ist der Cousin von außer Orts, der zu Besuch ist,
den die Depression sich verpflichtet fühlte auf die Party einzuladen
Mutti, Ich bin die Party, nur bin ich eine Party,
auf der ich nicht sein will
Mutti sagt „Warum versuchst du nicht auf echte Partys zu gehen
und deine Freunde zu treffen?“
Sicherlich, ich mache Pläne, ich mache Pläne,
aber ich will nicht dahingehen
Ich mache Pläne, weil ich weiß, ich sollte dahingehen wollen,
Ich weiß, manchmal hätte ich gerne dahingehen gewollt
Es ist nur kein Spaß, Spaß zu haben,
wenn du keinen Spaß haben willst, Mutti

Siehst du, Mutti,
jede Nacht fegt mich meine Schlafstörung auf in ihre Arme,
taucht mich ein in die Küche, im kleinen Schimmer des Ofenlichts
Die Schlafstörung hat diese romantische Art den Mond
sich wie perfekte Gesellschaft anfühlen zu lassen
Mutti sagt „Versuch Schäfchen zu zählen“
Aber mein Verstand kann nur Gründe aufzählen wach zu bleiben
Also gehe ich spazieren, aber meine stotternden Kniescheiben
klirren wie Silberlöffel in starken Armen mit losen Handgelenken
Sie klingeln in meinen Ohren wie klobige Kirchenglocken,
die mich daran erinnern,
dass ich schlafwandele auf einem Ozean von Glückseligkeit,
in dem ich mich selbst nicht taufen kann

Mutti sagt „Glücklich sein ist eine Entscheidung“
Aber mein Glücklich Sein ist so hohl
wie ein mit der Nadel gestochenes Ei
Mein Glücklich Sein ist ein hohes Fieber das wieder nachlässt
Mutti sagt, Ich bin so gut darin aus nichts etwas zu machen
und dann fragt sie mich geradeheraus,
ob ich Angst habe vorm Sterben
Nein Mutti, Ich habe Angst vorm Leben

Mutti ich bin einsam
Ich denke, ich habe gelernt als Vater ging,
wie man die Wut in einsam, die Einsamkeit in beschäftigt umwandelt
Also wenn ich sage, ich war super beschäftigt in letzter Zeit,
meine ich, ich schlief ein,
während ich SportsCenter auf der Coach guckte
Um zu vermeiden die Leere Seite meines Betts zu konfrontieren
Aber meine Depression schleppt mich immer wieder zurück in mein Bett
Bis meine Knochen vergessene Fossilien
der Skelette einer versunkenen Stadt sind
Mein Mund ein Friedhof
zerbrochener Zähne vom sich selbst zermalmen
Der hohle Hörsaal meiner Brust
schwindet mit Echos meines Herzschlages
Aber ich bin hier nur ein rücksichtsloser Tourist

Ich werde niemals wahrhaft wissen, wo ich alles war
Mutti versteht es immer noch nicht
Mutti, kannst du nicht sehen
Dass ich es auch nicht kann

gefunden 14.1.2020
Deutsche Übersetzung: Anna Mestisa

Englischer original Text
Explaining My Depression to My Mother by Sabrina Benaim
aus: Depression & Other Magic Tricks, 2017, Button Poetry

Videoclip der Performance im englischsprachigen Original
Sabrina Benaim - Explaining My Depression to My Mother

Bild: Jan Thedore | unsplash.com
https://unsplash.com/photos/pSGmANK36LQ

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Samstag, 22. Februar 2020
Vater vermissen
"Ich vermisse meinen Vater. Der Verlust deines Vaters verändert dein Leben für immer, egal wie alt du bist. Du wirst niemals wirklich über diesen Verlust hinweg kommen, aber du wirst lernen mit diesem Verlust zu leben. Und er ist nie weit entfernt von deinen Gedanken."

gefunden 29.1.20

Bild mit Text: Womenworking.com · 28. Januar 2020
Womenworking.com · 28. Januar 2020
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Einer meiner liebsten Herzensmenschen kommentierte diesen Repost mit den Worten:
"Unsere Papas sind immer da. Egal wo wir sind ❤ egal wo sie sind. Sie sind immer bei uns und das wissen sie ganz genau"

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Montag, 17. Februar 2020
"Hallo Tochter"
"Hallo Tochter" das sind die zwei Worte, die mich immer an deine Stimme erinnern werden. Heute an deinem Todestag fühle ich noch immer diesen riesen Krater in mir, den du letztes Jahr in meinem und so vielen anderen Leben hinterlassen hast. Zeit heilt nicht alle Wunden. Manche Wunden werden spürbare Narben, mit Unebenheit im Gewebe, Taubheit und/oder dauerhafter Empfindlichkeit. Mentale und seelische Wunden sind nicht anders. Du wirst schmerzlichst vermisst.

29.1.20

Bild: Arleen wiese | unsplash.com
https://unsplash.com/photos/mpkfUEcFK1M

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Donnerstag, 13. Februar 2020
Vermissen
Vieles über die Todesart meines Vaters ist strittig, aber es ist völlig unstrittig, dass mein Vater von uns, seiner Familie, vermisst wird.

An seinem Todestag geht mir dieses Zitat aus einem Dialog zwischen dem Latenight Moderator Steven Colbert und Schauspieler Keanu Reeves wieder durch den Kopf.

29.1.20

Bild: SoulPancake · 2. September 2019
SoulPancake · 2. September 2019

Stephan: Was denken Sie passiert, wenn wir sterben, Keanu Reeves?

Keanu: Ich weiß, dass die, die uns lieben, uns vermissen werden.

Stephan: *reicht [Anm. d. Bloggerin. im wortlosen bestätigendem Einverständnis] seine Hand*

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Dienstag, 7. Januar 2020
Wenn ich den Boden berühre
Wenn ich den Boden berühre,
mir die Schuhe zuschnüre,
atme ich tief ein und aus,
dann komme ich in Kontakt mit dem Scherbenhaufen.
Ich beginne zu gehen, zu laufen.
Dieses knirschende Geräusch hat sich schleichend
von Graus zu Ohrenschmaus gewandelt.
Es hat den Lärm in meinen Gedanken behandelt,
mich zurück ins Hier und Jetzt gezwungen,
raus aus meinen gelungenen Erinnerungen.
Es ist ein zuverlässiger Klang wie das Knistern
im Staubsauger-Rohr beim über den Boden gleiten,
wie sich die Sinne weiten.
Es ist fast ein Klanggedicht für mich.
Wenn innerlich alles unruhig ist,
aber nichts nach außen dringt,
beginnt bei dem Klang des Knirschens mein Seelenfrieden.
Ich muss mich nicht biegen
Ich kann in aller Ruhe die Scherben zusammen kehren,
mich in mich kehren,
und mich Stück für Stück wiederfinden,
den Abfall, das Verbrauchte, das Verrottete binden.
Die Oberfläche des Bodens ist wieder klar und eben.
So öffnen sich meine geistigen Ebenen.
Mit jeder aufgekehrter Scherbe,
mit jedem Knirschen,
erkenne ich nach dem Hall, nach dem Schall,
den Boden wieder. Setze mich nieder,
und komme neu auf diesem Boden an,
erkenne den Klang der Stille an,
und erkenne mich selbst wieder,
wenn auch ein neuer Tag
nach der Metamorphose angebrochen ist,
mit neuem Mist.

19.11.19

inspiriert von "Vertraue jetzt der Dunkelheit"
bzw. Originaltitel "Trust the darkness now"
von Jeff Foster, Deutsche Übersetzung von Michael Kurth

Bild: Fotoworkshop4You | pixabay.com
https://pixabay.com/de/photos/ruine-verfallen-verfall-verlassen-1563208

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Mittwoch, 1. Januar 2020
Jahresrückblick
Am ehesten lässt sich mein Jahr 2019 im Rückblick mit den 5 Phasen der Trauer nach Elisabeth Kübler-Ross beschreiben:
Phase 1: Das Leugnen...
Phase 2: Der Zorn...
Phase 3: Das Verhandeln...
Phase 4: Die Depression...
Phase 5: Die Akzeptanz...

Januar
Die Ruhe vorm Sturm habe ich nicht erkannt. Meine Arbeit legt jährlich im Frühjahr an Fahrt zu, sodass ich den Frieden und die wachsende Unruhe in der Familie als Arbeitsstress abtat.

Februar
Die Phase 1 (Leugnen) hatte nicht viel Raum, weil schnell Krankenhauspersonal u.a. eine Traumatologie, zwei Polizisten, und eine Bestatterin involviert waren. Mein Funktionieren setzte instinktiv ein.

Februar bis Juli
Die Phase 2 (Zorn) habe ich mir selbst anfangs völlig verboten zu fühlen, sodass sich die Phase 3 (Verhandeln) sehr viel Platz erlaubte. Auch wenn sie mit Phase 1 (Leugnen) Pingpong spielte war Phase 3 (Verhandeln) bereits bei der Unterlagensuche für die Bestatterin omnipräsent. Sein Tod ergab einfach keinen Sinn.

Mai bis Oktober
Während ich für Vaters Nachlass funktionierte verhandelte ich regelrecht wider meinen depressiven Gefühlen. Ich würde mich als funktionale Depressive bezeichnen. Ich funktionierte mindestens ein dreiviertel Jahr, obwohl ich meine Depression bereits nach einem halben Jahr als solche erkannte, wenn auch nicht akzeptierte. Zusammenbrechen war für mich einfach nicht möglich. Ich hatte ja auf einmal eine kindlich hilflose Mutter in ihren 60igern und zwei launische Teenager Brüder in ihren 30igern zu beschützen.

Oktober bis Januar
Erst als der Nachlass in geregelte Bahnen geriet wurde langsam die Phase 2 (Zorn) lauter. Ich lies zum Teil los, weil ich den Zorn meiner Geschwister sah und erkannte. Und diesen ebenfalls fühlte. Das Gefühl im Stich gelassen zu sein, das Gefühl nie bzw. für mich nie lange sein Mittelpunkt gewesen zu sein, wurde sehr laut.
Die Frustration der Depression wechselte sich mit dem Zorn ab.
Um dann in der längsten Stille der Depression, während dem Warten der gerichtlichen Verhandlung und des nahenden Urteils zum Thema Mietrecht setzte die Phase 5 (Akzeptanz) erstmals richtig ein. Ich agiere das ganze Jahr schon mit einer infizierten offenen Wunde. Ich reflektierte endlich.

Bild: Alexander Milo | pixabay.com
https://unsplash.com/photos/60hLWtphCiY

Meine Seele ist erschöpft. Nie zuvor war meine Seele so erschöpft und verbraucht und Wund. Ich akzeptiere den Verlust und sein einhergehender Schaden. Ich akzeptiere eine andere zu sein ohne meine älteste Konstante, wenn auch widerwillig. Ich akzeptiere die Antwortlosigkeit seines Todes trotz dem lauten präsentem "Aber". Ich tue das in der Stille und im Lärm meines Lebens. Seit einem halben Jahr gehe ich nun monatlich in eine Selbsthilfegruppe für Trauernde von Suizid Hinterbliebenen und merke wie meine Trauer fast unbegrenzten Raum in ihr erhalten hat, die meine Familie nur in sehr kleinen Flächen zulässt und auch von meinem Lebensgefährten zu viel Platz abverlangt hat.
Ich hadere mit dem Zustand meiner Familie. Ich will die Arbeit an ihr niederlegen um an mir zu arbeiten, fürchte mich aber zu sehr vor ihrem Verlust. Das neue Jahr muss viel Ich und viel mein Partner & Ich im Vordergrund haben, sonst wird meine Seele nicht heilen können. Ich weiß das, aber fürchte mich vor dem Wie.

Dieses Jahr war kräftezehrend und hat mich auf ungeahnte Weise schmerzlich enorm wachsen lassen.

Dieses Jahr habe ich erkannt, das für mich Arbeit Mittel zum Zweck ist und mich nur unwesentlich definiert. Das im Grunde nur die Menschen, das Gehalt und meine Entfaltungsmöglichkeiten mich an die Arbeit binden. Da zwei von drei Faktoren schrumpfen, sinkt das Gewicht dieser Lebenssäule.

Dieses Jahr hat mich dem Kern meines sozialen Umfelds näher gebracht und mich vom unwesentlichen Teil meines sozialen Umfelds entfernt. Das ist eine erstaunliche, wenn auch schmerzhafte, Erfahrung.

Dieses Jahr hat meine Beziehung an seine Grenzen und darüber Hinaus befördert. Wir sind unsere eigene Familie, ein kleiner fragiler wachsender Ableger unserer Eltern und zugleich unsere eigene Liebesgeschichte.

Dieses Jahr hat mich meinen Bedürfnissen, meinen Bewältigungsmechanismen, meinen Leidenschaften näher gebracht. Wenn man sich selbst verliert, findet man sich selbst in seinen Leidenschaften am schnellsten wieder. Wenn ich Musik wie die von Lizzo höre, lebe und feiere, ... Wenn ich mit Farben in aller Ruhe kleckere, ... Wenn ich Chemie anwende um genussvolles Gebäck zu erschaffen, bin ich ganz bei mir. Dann spür ich mich selbst in meinen Leidenschaften wieder. Zu Wissen wer man ist, erleichtert die Selbstversorgung immens.

Bild: Aldertree | pixabay.com
pixabay.com/de/photos/r%C3%BCckspiegel-perspektive-835085/

Ich bin froh 2019 in naher Zukunft im Rückspiegel vorbeiziehen zu sehen. Ich bin froh im Februar 2020 mein erstes Trauerjahr überstanden zu haben. Die Angst vorm zweiten Trauerjahr ist präsent, aber ich kenne meine Lebensfreude und weiß woher sie Kraft schöpft.

Also nehme ich all meinen Mut zusammen und hoffe auf ein gutes neues Jahr 2020... mit Urteil, mit Familie auch ohne Zusammenhalt, mit Therapie, mit viel Arbeit vor mir.

30.12.19

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Mittwoch, 25. Dezember 2019
Himmelanruf
VISUAL STATEMENTS · 30. November 2019

Bild: VISUAL STATEMENTS · 30. November 2019

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