Mittwoch, 17. April 2019
Schwarz tragen
Schwarze Kleidung ist wie eine schützende Uniform, die sagt: "Hey, ich bin nicht mehr dieselbe. Erwarte nicht von mir, wie immer zu sein. Rechne damit, dass eben nicht alles wie immer funktioniert."

Ich bin noch hier drin, aber stehe wie unter einem grauen Schleier. Es ist wie durch Watte hören oder sehen. Alles was ich wahrnehme ist fast dumpf und surreal, selbst wenn ich mich anstrenge.

Ich trage seit Wochen Schwarz und habe bisher nie versucht dieses Bedürfnis in Worte zu fassen. Es fühlt sich so natürlich an, dass ich dafür keine Worte brauche.

Früher war es gesittet als nächste Angehörige für eine Zeit lang schwarz zu tragen. Als Wittwe wurde das sogar für ein Jahr und sieben Tage lang erwartet. In manchen Kulturen sogar das komplette restliche Leben lang.

Für mich persönlich bedeutet bunte kraftvolle Farben tragen Lebensfreude und täglich motoviert "Ja" zum neuen Tag sagen. Auf diese Farbe in meinem Emotionen geladenen neuen Alltag zu verzichten, ist fast wie ein ganz persönliches Geschenk an mich selbst. Diese neue klare Farbordnung erleichtert meine eigene Erwartung an mich selbst. Ich kann den Schmerz nicht vergessen oder ignorieren. Also warum nicht, genau diesem Schmerz Ausdruck verleihen? Warum nicht, "das Scharlach Rote A" auf der Brust tragen, dass ich ohnehin permanent fühlen kann? Warum nicht klagend die Welt fragen; wie es weitergehen soll mit diesem Krater in meiner Welt?

Ich bekenne Farbe aus Schmerz. Solange ich diesen so intensiv fülle, ist auf Farbe verzichten ein Kinderspiel. Solange ich den Schutt und die Asche des Lebens meines Vaters wegtrage, ist die Farbe schwarz mein Freund. Das muss keiner verstehen, nicht mal ich selbst. Mein Ziel sind 365 Tage meinem geschiedenen Vater die Ehre erweisen.

Alles was die Trauer erträglich macht, erlaube ich mir, solange es nicht auf Dauer ungesund ist.

Noch 290 Tage "Schwarz" to go.

9.3.19/13.4.19

Bild: pixabay.com / StockSnap
https://pixabay.com/photos/people-woman-girl-black-clothing-2594460/

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